In der vorliegenden Studie wurde das organisatorische Engagement in der Türkei, einer überwiegend kollektivistischen Gesellschaft, untersucht. Es wurde ein Modell der Antezedenzien und Konsequenzen des organisatorischen Engagements getestet, in dem das Engagement als aus zwei Dimensionen bestehend, der affektiven und der kontinuierlichen, konzeptualisiert wurde. Es wurde angenommen, dass sich affektives Engagement aus positiven Arbeitserfahrungen entwickelt und erwünschte Ergebnisse vorhersagt. Kontinuierliches Engagement hingegen, so die Annahme, ist kulturabhängig. In Übereinstimmung mit Becker (Am. J. Sociol. 66 (1960) 32) wurde angenommen, dass in einer kollektivistischen Kultur wie der Türkei der normative Charakter des Arbeitsverhältnisses Erwartungen an die Loyalität gegenüber der Organisation weckt und dass die wahrgenommenen Kosten einer Verletzung dieser Erwartungen sich in einem erhöhten Kontinuitätsengagement niederschlagen würden. Insbesondere wurde erwartet, dass die Befürwortung verallgemeinerter Normen für die Loyalität gegenüber der eigenen Organisation und die informelle Rekrutierung zu einem höheren Maß an kontinuierlichem Engagement führen würde.
Die Untersuchung umfasste zwei Phasen. In Studie I wurden Tiefeninterviews mit türkischen Arbeitnehmern durchgeführt, um emische Items für die interessierenden Skalen zu entwickeln. In Studie II wurde das vorgeschlagene Modell mittels Strukturgleichungsmodellierung getestet. Die Ergebnisse bestätigten nicht nur die kulturübergreifende Verallgemeinerbarkeit der Antezedenzien und Konsequenzen des affektiven Commitments, sondern zeigten auch, dass Loyalitätsnormen und die Zustimmung zur Ingroup das kontinuierliche Commitment erhöhen. Der Einfluss von Normen und der Ingroup war bei Allozentrikern stärker. Darüber hinaus war bei Allokationszentrikern das kontinuierliche Engagement mit positiveren Arbeitsergebnissen verbunden. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung normativer Aspekte für das Verständnis der Bindung von Arbeitnehmern in kollektivistischen Kontexten und weisen auf die Notwendigkeit einer besseren Messung des kalkulatorischen Engagements hin.