In der wissenschaftlichen Klassifizierung wird der Mensch mit dem Namen Homo sapiens (lateinisch: „weiser Mensch“) versehen. Der schwedische Botaniker und Taxonom Carl Linnaeus prägte den Begriff in seiner 10. Auflage des Systema Naturae (er bezeichnete sich selbst als das Typusexemplar). Der Gattungsname Homo bezieht sich auf die Gruppe, zu der andere, uns ähnliche Arten gehören. Dazu gehören die ausgestorbenen Arten H. habilis, H. erectus und H. heidelbergensis sowie die Neandertaler (H. neanderthalensis) und der rätselhafte H. naledi. Wie passt H. sapiens in diese Gruppe? Die Art ist wohl der letzte Vertreter der Gattung Homo, aber wann hat sich H. sapiens entwickelt?
Bis vor kurzem ging man davon aus, dass sich H. sapiens vor etwa 200.000 Jahren in Ostafrika entwickelt hat. Diese Schätzung wurde durch die Entdeckung der ältesten H. sapiens zugeschriebenen Überreste im Jahr 1967 an einem Fundort im äthiopischen Omo-Tal beeinflusst. Die Überreste, die aus zwei Schädeln (Omo 1 und Omo 2) bestanden, wurden zunächst auf 130.000 Jahre datiert, aber durch die Anwendung verfeinerter Datierungstechniken im Jahr 2005 wurden die Überreste genauer auf 195.000 Jahre datiert.
Im Juni 2017 änderte sich dies jedoch. Eine mehrjährige Ausgrabung unter der Leitung von Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig ergab, dass H. sapiens am Jebel Irhoud in Marokko lebte, mehr als 5.000 km von Ostafrika entfernt (der Region, die viele Paläontologen als „Wiege der Menschheit“ bezeichnen). Das Team stieß auf eine Sammlung von Exemplaren, die aus Schädelfragmenten und einem vollständigen Kieferknochen (beide mit auffallender Ähnlichkeit zu denen des modernen Menschen) sowie Steinwerkzeugen bestand – allesamt datiert auf die Zeit vor etwa 315.000 Jahren, also mehr als 100.000 Jahre vor den in Omo gefundenen Überresten. Obwohl diese Entdeckung noch nicht alle Paläontologen überzeugt hat, deutet sie darauf hin, dass die Spezies viel früher als erwartet in ganz Nordafrika verbreitet gewesen sein könnte und dass Ostafrika nicht die einzige Wiege gewesen sein könnte. Natürlich könnte sich der H. sapiens zunächst in Ostafrika entwickelt haben, bevor er sich nach Marokko und anderen Orten ausbreitete, aber die Paläontologen müssen in Ostafrika noch ältere menschliche Überreste finden, um diese seit langem bestehende Vermutung zu bestätigen. Bis dahin sollte die Wissenschaft für die Möglichkeit offen bleiben, dass wir uns zuerst anderswo in Afrika entwickelt haben.