Die Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika ist ikonisch, wichtig und mehr oder weniger zeitlos. Wir sind sehr stolz auf ihr Design, und wir hängen sehr an der Geschichte von Betsy Ross, die sie genäht hat.
Aber lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen. Ist sie überhaupt gut?
Nicht viele Menschen machen sich Gedanken darüber, was es braucht, um eine solche Flagge zu entwerfen, und was unsere Flagge besser macht als alle anderen nationalen Flaggen auf der Welt. Mit Ausnahme von Leuten wie David F. Phillips.
„Ich bin 72. Ich studiere Flaggen, seit ich etwa sechs Jahre alt bin“, sagt Phillips, ein professioneller Vexillologe, also jemand, der sich auf die Untersuchung von Design, Bedeutung und Wirksamkeit von Flaggen spezialisiert hat. „Was mich als Kind am meisten interessierte und was mich, glaube ich, immer noch interessiert, ist die Art und Weise, wie Flaggen und Heraldik komplizierte Ideen durch den Einsatz von Farben und Linien vermitteln, ohne Worte. Das spricht mich an.“
Unter Vexillologen gibt es einige Kardinalregeln für die Gestaltung von Flaggen, die einige Flaggen zu klaren Gewinnern machen und andere im Winde verwehen lassen. Phillips wies uns auf ein kurzes Büchlein mit dem hilfreichen Titel Good Flag, Bad Flag hin, das im Internet frei verfügbar ist. Dieser kurze Leitfaden für das Flaggendesign wurde von Ted Kaye, dem Herausgeber von Raven, der offiziellen Zeitschrift der North American Vexillological Association, verfasst und listet in eindeutigen Worten auf, was für eine erfolgreiche Flagge erforderlich ist. Kayes Leitfaden unterteilt gutes Flaggendesign in fünf wesentliche Kriterien: Einfachheit, aussagekräftige Symbolik, nicht mehr als drei Farben, keine Schriftzüge oder Siegel und einzigartiges Design.
Der erste und wohl wichtigste Faktor ist, die Flagge einfach zu halten. „Ich bin der Meinung, dass eine Flagge – und das ist auch Teds Argument – von einem Kind mit Buntstiften gezeichnet werden können sollte“, sagt Phillips. „Wenn sie komplizierter ist als das, ist sie zu kompliziert. Ein einfaches Design ist unerlässlich, weil, wie Phillips uns erklärte, der eigentliche Zweck einer Flagge darin besteht, aus der Ferne gelesen zu werden, im Gegensatz zu komplizierteren Siegeln oder heraldischen Wappen. Einfachheit ist auch wichtig, damit sich eine Flagge leicht einprägen lässt und man sie sofort wiedererkennt.
Dann ist da noch die Bedeutung, die hinter den Farben und Symbolen einer Flagge steht: „Bei einer guten Flagge sollten die Linien, Farben und gegebenenfalls die Aufschriften eine echte Bedeutung für die Nation oder die Institution haben, die die Flagge repräsentiert“, sagt Phillips. Wappen sind Symbole oder geometrische Formen auf Flaggen, die separate grafische Elemente des Gesamtdesigns sind und oft eine große Bedeutung in einer einzigen Form haben können. Nehmen wir zum Beispiel das kanadische Ahornblatt oder die japanische Sonne. „Man kann es sich gut vorstellen, weil es sehr klar und einzigartig ist und die Sonne für die Japaner auch eine kulturelle Bedeutung hat“, sagt Phillips. Die Farbe kann auch eine Kurzform sein, wie im Fall der blau-gelben Flagge der Ukraine, die einen blauen Himmel über Weizenfeldern darstellt.
Aber die Farbpalette sollte dennoch begrenzt und kohärent sein. Nach Kayes Leitfaden sollte eine gute Flagge nicht mehr als drei Grundfarben enthalten. Kaye nennt als Grundfarben für Flaggen Rot, Blau, Grün, Schwarz, Gelb und Weiß („Weiß und Gelb werden nach Gold und Silber als „Metalle“ bezeichnet“, sagt Phillips), und die meisten guten Flaggen verwenden eine Mischung aus diesen Farben. Aber es kommt auch darauf an, welche Farben man wählt, und um die Sichtbarkeit einer Flagge zu gewährleisten, ist der Kontrast das A und O. „In der Heraldik gibt es eine informelle Regel, die besagt, dass man nicht gelb auf weiß oder weiß auf gelb setzen sollte. Und man setzt nicht Rot auf Blau oder Blau auf Grün“, sagt Phillips. „Blau auf Weiß, Rot auf Gold, das ist viel einfacher. Dieser Kontrast sorgt auch dafür, dass die Flagge, wenn sie in Schwarz-Weiß reproduziert wird, ihre Bedeutung nicht völlig verliert.
Die vierte Regel, die man sich merken sollte, ist, dass Wörter und Schriftzüge auf einer erfolgreichen Flagge nichts zu suchen haben. Der Grund dafür ist, wie in Good Flag, Bad Flag dargelegt, recht einfach. Wörter und detaillierte Siegel verschwimmen fast augenblicklich und verlieren aus der Entfernung an Bedeutung.
Zu guter Letzt: Stellen Sie sicher, dass Ihre Flagge einzigartig ist. Es ist in Ordnung und wird sogar empfohlen, auf andere Flaggenmuster anzuspielen, aber letztlich ist es am wichtigsten, dass Ihre Flagge nicht leicht mit anderen Flaggen verwechselt werden kann. „Wenn man sich einige Flaggen ansieht, zum Beispiel die der afrikanischen Staaten, dann verwenden viele von ihnen Rot, Grün und Gold“, sagt Phillips. „Sie verwenden sie vertikal, sie verwenden sie horizontal, sie verwenden sie in verschiedenen Reihenfolgen, einige verwenden sie diagonal. Welches davon ist das? Man ist sich nicht sicher.“
Auch wenn sich Vexillologen wahrscheinlich nicht einig sind, gibt es Flaggen von Nationen auf der ganzen Welt, die sowohl als schlecht als auch als gut bezeichnet werden können. Phillips‘ Geschmack tendiert zu einfacheren Designs, aber auch er hat seine Favoriten. „Mein absoluter Favorit auf der Welt ist die belgische Flagge“, sagt er. „Es ist eine vertikale Dreifarbigkeit, schwarz, gold und rot. Diese basieren auf den heraldischen Farben des Wappens der wichtigsten Provinz Brabant. Sie ist der französischen Flagge nachempfunden, aber sie ist so lebendig und auffallend, und das Gelb tut das in hohem Maße. Gelb verleiht jeder Flagge eine enorme Kraft. Es ist einfach so schön anzusehen und so unverwechselbar. Neben der belgischen Flagge nannte Phillips auch andere einfache Flaggen, die er besonders toll findet, wie die von Dänemark, Frankreich, der Schweiz, Kanada und Japan.
Es gab sogar einige kompliziertere Flaggen wie den Union Jack des Vereinigten Königreichs oder die Nationalflagge von Sri Lanka, die er als besonders gelungen bezeichnete. „Sie ist ein bisschen kompliziert, obwohl jedes Element eine Bedeutung hat“, sagt er über die Flagge Sri Lankas. „Die beiden Streifen in der Nähe der Hisslinie stehen für ethnische Minderheiten, und der Löwe ist der Löwe, der das alte Königreich Kandy repräsentierte, das im Zentrum des späteren Sri Lanka lag. Sie hat eine eindeutige Bedeutung, aber sie ist auch einzigartig in der Welt.“
Dann gibt es Flaggen, die einfach nicht ins Schwarze treffen. Sei es, dass das Design zu einfach, nicht originell genug oder einfach nur verwirrend ist, manche Flaggen funktionieren einfach nicht. Phillips nannte die Flagge Kirgisistans als ein gutes Beispiel für eine schlechte Flagge. „Sie hat ein ziemlich markantes Element in der Mitte, nämlich den Schornstein einer Jurte“, sagt Phillips. „Aber wenn man noch nie in einer kirgisischen Jurte war, weiß man nicht genau, was man da sieht. Es sieht aus wie ein goldener Klecks auf Rot. Und das rote Feld suggeriert eine kommunistische Ausrichtung, die es in Kirgisistan nicht mehr gibt. Das ist auch keine so gute Idee.“ Phillips verwies auch auf die Flaggen von Ländern wie Ägypten, Irak, Syrien, Jemen und den Vereinigten Arabischen Emiraten, die sich zu sehr ähneln, um unterscheidbar zu sein.
In Anbetracht all dieser Merkmale einer großartigen Flagge fragten wir Phillips schließlich, wie die Nationalflagge von Atlas Obscura aussehen könnte. „Atlas Obscura stelle ich mir in meinem Kopf als ein Buch vor, das teilweise verdeckt ist“, sagt er. Da er nur sehr wenig über unsere Website wusste, schlug er allein aufgrund des Namens ein diagonal geteiltes Feld aus Schwarz und Gold vor, mit einem Buch in der Mitte, das halb unter der schwarzen Hälfte der Flagge verborgen wäre. „Ich sage nicht, dass es die einzige Lösung ist, es ist nur das erste, was mir in fünf Sekunden einfällt.“
Wir haben seinen Rat befolgt und präsentieren Ihnen nun die offizielle Flagge der Nation von Atlas Obscura:
Das ist wirklich eine tolle Flagge. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, können Sie gerne Ihre eigene entwerfen. Wenigstens wissen Sie jetzt, wie es geht.